Es ist hell da draußen, fast weiß, obwohl ich keine Sonne seh’. Eine Vorahnung von Schnee? – Ich bin sicher, die Blätter rascheln, wenn man durch sie watet. Dabei legt der Herbst sonst seine dämpfenden Schleier über das Land. Der Nebel verhüllt die Sicht auf die Welt, und genauso scheint er die Geräusche zu dämmen. Nur das Rascheln der Blätter bleibt. Es orchestriert das Schattenspiel, zu dem der Herbst die Welt macht. Der Lauf der Zeit scheint langsamer zu werden im Nebel. Es tut gut in diesen panischen Zeiten den Horizont nicht sehen zu können, wo er als Abgrund erscheint.
Der Herbst ist die richtige Zeit zur Besinnung auf Traditionen. Im verlangsamten Lauf der Zeit ist wieder Platz für Maroni und Drachensteigen. Kastanien, die Herbstfrüchte, sind der Triumph der Jahreszeiten über die Eile des Menschen. Sie sind ökonomisch so unbedeutend, dass man noch immer auf sie warten muss.
Das Warten ist in der heutigen Zeit der allgegenwärtigen Eile und der unendlichen Verfügbarkeit, in der Zeit mehr denn ja Geld ist und Wohlstand alle Erwartung getötet hat, ein Luxusgut.
Die Vorfreude ist das erste Opfer der Globalisierung.
Wenn alles jederzeit überall verfügbar ist, verliert es seinen Wert. Der Wert einer Sache wird durch ihre Rarheit mehr als durch ihren Nutzen festgelegt.
Für mich als nicht religiösen, nicht in einer Dorfgemeinschaft verwurzelten Menschen sind Traditionen etwas Familiäres und definieren sich über ihre kulinarischen Spezialitäten. Glücklich, in einer Familie begabt-begeisterter Köche aufgewachsen zu sein, gehört für mich zu jedem Fest ein bestimmtes, besonderes Gericht.
Anders als diese familiäre Tradition ist die gesellschaftliche Tradition jedoch zum Konsumereignis in einem anderen Sinne verkommen. Spätestens, seitdem es Faschingskrapfen das ganze Jahr über gibt schmecken sie nicht einmal mehr halb so gut wie zuvor. Der Konsumismus hat den Spaß am Konsum getötet.
Darum sind Kastanien etwas besonderes. Maroni gibt es immer noch nur im Herbst.
Man sollte die Ruhe des Herbstnebels genießen, bevor wir wieder in die Hektik der durchkommerzialisierten Weihnachtszeit verfallen. Herabgefallene Blätter glitzern nur vom Raureif der letzten Nacht. So viel Ehrlichkeit ist selten in diesen Zeiten.
Kommt der erste Absatz noch etwas holprig daher, überzeugt jeder weitere bereits für sich allein. Selten habe ich in der letzten Zeit so etwas Treffendes gelesen wie “Kastanien, die Herbstfrüchte, sind der Triumph der Jahreszeiten über die Eile des Menschen. Sie sind ökonomisch so unbedeutend, dass man noch immer auf sie warten muss.”